ZAG-Kampagne - Neues zum Antidiskriminierungsgesetz
Frankfurt a.M. (kobinet) Das stenografische Protokoll der Debatte über das Antidiskriminierungsgesetz vom Freitag im Deutschen Bundestag steht im Internet und ist äusserst lesenswert. Darauf hat der blinde Journalist Keyvan Dahesch hingewiesen.Auszug aus den regelmäßigen Informationen zur ZAG-Kampagne von Ottmar Miles-Paul, hier finden Sie Beiträge der Kobinet-Nachrichten Rund um das Thema Richtlinien und Gesetze zur Gleichstellung und gegen Diskriminierung.
kobinet-nachrichten
18.01.2005 - 10:17
Kassel (kobinet) Eine Reihe von
Behindertenorganisationen hat Änderungsvorschläge für
das Antidiskriminierungsgesetz gemacht, das am Freitag in erster
Lesung im Deutschen Bundestag behandelt wird. Diese wurden den
zuständigen Abgeordneten heute als Anregung vom Netzwerk Artikel
3 zugesandt.
Nach Informationen von Ottmar Miles-Paul
vom Netzwerk Artikel 3 ging es dabei nicht darum, sämtliche
Verbesserungswünsche zu äussern, sondern sich auf zwei
Kernpunkte zu konzentrieren, die realistische Chancen haben, noch in
das Gesetz mit aufgenommen zu werden. «Aufgrund der großen
Opposition gegen das Antidiskriminierungsgesetz müssen wir
einerseits deutlich machen, dass ein solches Gesetz nötig ist
und dürfen nicht jedes Komma des Gesetzes madig machen.
Andererseits gibt es natürlich einige Punkte, die im Gesetz noch
verbessert werden müssen, um einen wirksamen
Diskriminierungsschutz zu bieten. Daher haben sich die
unterstützenden Organisationen auf zwei Kernbereiche mit den
Vorschlägen konzentriert», erklärte Ottmar Miles-Paul
vom Netzwerk Artikel 3 zu den Vorschlägen. elba
Im folgenden
werden die Änderungsvorschläge für das
Antidiskriminierungsgesetz dokumentiert:
Änderungsvorschläge
für das Antidiskriminierungsgesetz
Die unten
genannten Organisationen erachten es als dringend notwendig, dass
folgende Änderungsvorschläge im weiteren
Gesetzgebungsverfahren für das Gesetz zum Schutz vor
Diskriminierung (Antidiskriminierungsgesetz - ADG) berücksichtigt
werden.
1. Zulässige unterschiedliche Behandlung
Für §21 schlagen wir vor, die «zulässige
unterschiedliche Behandlung», die mit der bisherigen
Formulierung «der Vermeidung von Gefahren, der Verhütung
von Schäden oder anderen Zwecken vergleichbarer Art dient»
viel zu unkonkret gefasst ist und weiteren Diskriminierungen Tür
und Tor öffnet in Satz 2 wie folgt gefasst wird:
«Das
kann insbesondere der Fall sein, wenn die unterschiedliche Behandlung
notwendig ist, um eine erhebliche Gefährdung der Gesundheit oder
des Lebens der Person oder Dritter zu vermeiden, gesetzliche
Unfallverhütungsvorschriften es erfordern oder nur so
voraussichtliche Schäden vermieden werden können.»
Zudem schlagen wir die Einfügung des folgenden Satzes in
§21 vor:
«Derjenige, der sich auf einen
sachlichen Grund für eine unterschiedliche Behandlung beruft,
hat die Nachweise hierfür auf Verlangen vorzulegen oder auf
andere Weise glaubhaft zu machen.»
2.
Einbeziehung privater Arbeitsvermittler
Zum §6, der den
«Persönlichen Anwendungsbereich» des Gesetzes
regelt, schlagen wir die Einfügung des folgenden Absatzes 3 vor,
um auch die Nichtdiskriminierung durch private Arbeitsvermittler
sicher zu stellen:
«(3) Private Arbeitsvermittler
oder solche Unternehmen, die mit der Beschaffung von Personal für
Dritte nicht nur gelegentlich befasst sind oder Personalberatung für
Unternehmen oder vergleichbare Tätigkeiten ausführen, sind
gegenüber Bewerberinnen oder Bewerbern oder Beschäftigten
anderer Unternehmen, in deren Auftrag sie tätig werden,
Arbeitgebern gleichgestellt.»
In diesem
Zusammenhang schlagen wir auch in §16, der die «Entschädigung
durch den Arbeitgeber bei Benachteiligung durch Dritte» regelt,
folgende Änderung im bisherigen Absatz 2 vor:
«(2)
Private Arbeitsvermittler oder solche Unternehmen, die mit der
Beschaffung von Personal für Dritte nicht nur gelegentlich
befasst sind oder Personalberatung für Unternehmen oder
vergleichbare Tätigkeiten ausführen (§6 Absatz 3),
sind wie Arbeitgeber nach §15 zur Entschädigung
verpflichtet. Erfolgt der Verstoß gegen das
Benachteiligungsverbot im Auftrag oder auf Veranlassung eines
Arbeitgebers, so haften beide gesamtschuldnerisch.»
Bisherige UnterstützerInnen dieser
Änderungsvorschläge:
Forum behinderter JuristInnen,
Forum selbstbestimmter Assistenz behinderter Menschen - ForseA e.V.,
Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland e.V.,
NETZWERK ARTIKEL 3 e.V., Netzwerk People First Deutschland e.V.,
Verein zur Förderung der Autonomie Behinderter - fab e.V.
Kassel, Weibernetz e.V.
AMICI e.V unterstützt die obigen Änderungsvorschläge zum Antidiskriminierungsgesetz !
Dennoch wollen wir nicht verhehlen, dass wir eine etwas radikalere Version gerne sehen würden. Wir sypathisieren deshalb sehr mit dem BBV e.V., die bei „neues von Ilja“ nachgelesen werden können.
ZAG steht für Zivilrechtliches Antidiskriminierungsgesetz
Seit Anfang der 90er Jahre kämpfen Menschen mit Behinderungen in ganz Europa für ihre Gleichstellung. Jeweils am 5. Mai treten Sie mit einer Vielzahl von Aktionen, Diskussionsveranstaltungen, Demonstrationen und vielem mehr an die Öffentlichkeit. Ziel war, ist (und wird immer sein) die Durchsetzung der UN-Resolution (48/96), die „Standard Rules“ und die gesetzliche Verankerung von Gleichstellungsgesetzen und einen zivilrechtlichen Schutz - also ein Zivilrechtliches Antidiskriminierungsgesetz - und somit auch die Umsetzung der EU/EG Richtlinien (2000/ 43/ EG) und (2000/ 78/ EG).
In Deutschland gelang durch die Zusammenarbeit nahezu aller Behindertenverbände mit einer äußerst großen Kraftanstrengung der 1. Schritt in diese Richtung. Unsere Verfassungsnorm, das Grundgesetz, wurde 1994 geändert, indem folgender Text in Art. 3 Abs. 3 aufgenommen wurde:
„Niemand darf aufgrund seiner Behinderung benachteiligt werden“
Real hatte das aber noch keinerlei Wirkung auf den Alltag von Menschen mit Behinderungen. Dafür bedurfte und bedarf es noch weiterer rechtlicher Ausarbeitungen. In einigen Verkehrs- und Braurechtsgesetzen und -Normen wurden zwar die eine oder andere Barrierefreiheit mit aufgenommen, aber bis heute ist z.B. nicht realisiert, dass die Auszahlung von öffentlichen Mitteln uneingeschränkt an Barrierefreiheit gekoppelt wird (siehe z.B. unser altbekanntes Problem mit der Deutschen Bahn !).
Im Jahre 2001 gab es dann doch noch einen Schritt nach vorne. Mit Einführung des Bundesgleichstellungsgesetzes (BGG) im Mai und des Sozialgesetzbuch IX (SGB IX) im Juli für die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen im Arbeitsleben und am Leben in der Gemeinschaft. Mit dem BGG wurde auch ein Zivilrechtliches Antidiskriminierungsgesetz (ZAG) versprochen. Am 3. Dezember 2001, dem Welttag der Behinderten, präsentierte die ehemalige Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin überraschenderweise einen entsprechenden Gesetzesentwurf. Doch die Einführung ist hauptsächlich durch den Widerstand der Kirchen und Arbeitgeberverbände gescheitert.
Nun soll aber doch bald ein Zivilrechtliches Antidiskriminierungsgesetz verabschiedet werden. Grund dafür ist die Richtlinie 2000/43/EG, deren Umsetzung des Diskriminierungsverbots aufgrund der „Rasse“ und ethnischen Herkunft schon zum Juli 2003 hätte geschehen müssen. Weiterhin muss die Richtlinie 2000/78/EG zur Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf, auch für Menschen mit Behinderungen, bis Dezember 2003 in Deutschland umgesetzt werden. Doch in der Politik gilt diese Regel schon als umgesetzt durch das SGB IX.
Wegen dieser Gründe werden Menschen mit Behinderungen bei der Verabschiedung des Zivilrechtlichen Antidiskriminierungsgesetzes nicht berücksichtigt. Dies bedeutet aber, dass weiterhin Diskriminierung stattfinden wird und Menschen mit Behinderungen aus Restaurants verwiesen werden (wie jüngst in Hamburg geschehen), Grund für Kostenreduzierungen des urlaub sein können, weil sie als störend empfunden werden, und aus dem selben Grund aus ihrem eigenen Garten verwiesen werden können, oder aber keine Lebensversicherung bekommen und nicht in private Krankenkassen Einlass finden und immer noch als Sonderfaktor im Öffentlichen Personenverkehr oder in Schulen gelten. Diskriminierung wird sogar noch verstärkt, indem immer mehr Leistungen im Krankheitsfall, im Hilfsmittelsektor, in Assistenz und Pflege und bei der Teilnahme am Leben in der Gesellschaft zurück geschraubt werden. Diskussionen, ob und welche Hilfen im Alter, bei AIDS und Krebs und Behinderung und chronisch Erkrankten noch lohnenswert sind, diese Diskussionen sind schon voll im Gange und sogar salonfähig geworden.
Deshalb haben die ca. 250 TeilnehmerInnen der Tagung „Gleich richtig stellen“ vom 26. + 27. Juli 2003 in Bremen mit ihrer Bremer Erklärung ihren Standpunkt deutlich gemacht. Weiterhin entstand während der Sommeruni 2003 vom 21.7. - 1.8. in Bremen eine breite ZAG Kampagne, die federführend vom Netzwerk 3 koordiniert wird. Weitere Informationen sind auch dort zu bekommen. Die Kobinet Nachrichten begleiten die Kampagne mit jeweils den neuesten Informationen.